…entstehen, wenn man der 100-jährigen Helene Schranz zuhört, wenn sie sich an ihre Kindheit in Pinkafeld erinnert.
Zum Beispiel, warum auf manchen Fotos von damals die alten Frauen weiße und auf anderen wiederum dunkelblaue oder schwarze Kopftücher trugen.
Die Weißen waren für die Feiertage, die Dunklen für den Alltag.
Wenn die Sonne schien, zogen die Frauen die Tücher ein wenig in die Stirn, um sich gegen die Blendung zu schützen. Eine Art Sonnenbrille sozusagen!
Sie erzählt von den Romafrauen, die Beeren verkauften, die sie gesammelt hatten oder Kienholz, d.s. Spandeln zum Feuermachen. Die Roma waren damals in diesem Raum sesshaft und bewohnten kleine Häuschen. Die damaligen Siedlungen sind leider alle vernichtet worden, nichts mehr erinnert an sie und die Menschen sind aus dem Ortsbild verschwunden.
Auch die Riedlingsdorfer Bäuerinnen gingen verkaufen. Auf ihren Köpfen balancierten sie auf großen Ringen aus umwickeltem Stoff ihre Ware, manchmal baumelten sogar lebendige Hühner mit zusammengebundenen Haxeln von ihren Köpfen herab. Sie pflegten drei bis vier lange Röcke übereinander zu tragen und wenn es regnete, zogen sie sich den äußersten von hinten nach vorne über den Kopf als Regenschutz!
An der Pinka, die damals noch nicht reguliert war und häufig Hochwasser führte, gab es reges Leben. Im Bachbett spielten die Kinder und täglich in der Früh wurden die Gänse zur Weide geführt. Die badeten und tummelten sich im Wasser und abends reagierten sie auf einen Ruf und wurden wieder nach Hause geleitet.
Manchmal, wenn sie herumflogen, gab es im Ort einen Kurzen, dann nämlich, wenn sie auf die neuen elektrischen Leitungen stießen – im Jahre 1919 war in Pinkafeld das erste Elektrizitätswerk errichtet worden.
An der Pinka trafen sich auch die Frauen zum Wäscheschwemmen. Sie knieten auf Stockerln im Wasser und im Winter hatten sie zum Händewärmen große blecherne Milchkannen mit heißem Wasser mit.
Natürlich gab es auch Mühlen entlang des Baches, wie zum Beispiel die alte Sagmeistermühle, die am Mühlbach lag, der inzwischen längst zugeschüttet wurde.
Die Straßen seien damals voll mit Wallfahrern gewesen, denn im nahen Pingau, das heute in der Steiermark liegt, gab es eine beliebte Wallfahrtskirche.
Pilger und Handwerker zogen singend ihres Weges. Da gab es die Schachtelpicker oder Kammmacher und später dann die Fabriksarbeiter von der Putsch-Fabrik, die aus den vielen Hauswebereien und Tuchmachern hervorgegangen war.
Leider gibt es kaum mehr Zeugen dieser großen und wichtigen Fabrik in diesem Raum, die so vielen Arbeit gegeben hat und somit das Überleben sicherte in einer schlechten Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Heute erinnert nur noch ein kleiner Mauerrest mit Bildern von damals an die Fabrik und im Museum im alten Rathaus kann man noch alte Webstühle und andere Gerätschaften von anno dazumal besichtigen.
Die Bevölkerung hat in den Jahren der Armut immer wieder billige Reste für Decken oder Kinderbetten bekommen.
Seit dem ersten Weltkrieg existierte auch die Kotzenfabrik der Familie Posch. Die erzeugte Pferdedecken und es gab die sogenannten Ram, das waren Gestelle aus Pfosten, an denen man alles zum Trocknen aufspannte.
Die kann man vereinzelt heute noch finden, wenn man um deren Bedeutung weiß.
Im 2.Weltkrieg hatten Lehrer häufig in ihren privaten Räumen Seidenraupen gezüchtet.
Die Raupen wurden mit den Blättern von eigens dafür an den Straßenrändern und Gärten angepflanzten Maulbeerbäumen gefüttert. Deshalb findet man auch heute noch oft an den alten Straßen Maulbeerbäume.
Die Kokons wurden en gros gesammelt und verschickt und für die Gewinnung von feiner Seide in der Fallschirmerzeugung verwendet.
Nach dem Krieg mussten viele Schulkinder bei der Ernte oder beim Bohnenheindeln mithelfen.
Das Gespräch mit Helene Schranz sollte uns auch noch in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts führen.
Leider scheiterte das an den rigorosen Bestimmungen im ersten Coronajahr und im November 2020 verstarb Helene Schranz mit 100,6 Jahren.