Grenze

Vier Gräber aus zwei der Natur überlassenen Friedhöfen sollen an die Trennung zweier Weltmächte und an das „Niemandsland“ erinnern. Die Friedhofsgräber links im Sujet befinden sich hinter der Emmerichskirche ca. 100 m nach der österreichischen Staatsgrenze ganz im Süden des Landes, während sich die Gräber rechts in der Collage ca. 100 m vor der ungarischen Grenze ganz im nördlichen Teil unseres Bundeslands befinden. Letzterer, der sogenannte Saidafriedhof unweit von Halbturn, gibt Zeugnis über ein verschwundenes gleichnamiges Dorf, ursprünglich bewohnt von Landarbeitern. Beide Plätze sind auf Ihre Weise berührende, schöne und ruhige Orte, welche einen Ausflug lohnen und zum Verweilen einladen.

Menschen – Gedenken – Grenzen

Mit diesem Sujet sei auch auf prüfende Zeiten des Bundeslandes Burgenland in den 100 Jahren hingewiesen. Stumme Zeugnisse dieser Zeitspannen sind die unzähligen Gedenkstätten, Soldatenfriedhöfe, Gefangenenlager, Bunker und Mahnmale.
Mein besonderes Interesse galt jedoch den Menschen im Land, welche für so manchen Größenwahn ihr Leben lassen mussten, heute noch in ehemaligen Kriegsgefangenenlagern an ihre Kameraden gedenken, den vielen Burgenländerinnen, welche für den Wiederaufbau in der Besatzungszeit sorgten. Aber auch den Soldaten in den Bunkern von Bruckneudorf, welche im Falle eines Einmarsches der Truppen des Warschauer Pakts in den 1970er Jahren unser Land verteidigt und chancenlos ihr Leben gelassen hätten. Burgenländer*innen von damals, die „an ihre Grenzen kamen“.

Jüdisches

Für die Ausstellung „100 Jahre Burgenland – Eine Spurensuche“ war es mir ein besonderes Anliegen auch den Fokus auf die jüdische Kultur in unserem Bundesland zu legen. Hierbei entstand eine Unmenge an fotografischen Eindrücken von Orten, die berührten und beeindruckten.
Mit den Bildern aus den jüdischen Friedhöfen von Oberwart, Deutschkreutz und Eisenstadt sowie einer speziellen Perspektive aus der Unterbergstrasse vor dem Jüdischen Museum in der Landeshauptstadt sei stellvertretend an die vielen schönen und interessanten Plätze des jüdischen Lebens und der Kultur in unserem Bundesland erinnert. Meine Eindrücke wurden in klassischer Farb- sowie Infrarotfotografie umgesetzt.

Was ist für das Burgenland typisch?

Was ist für das Burgenland typisch? Eine mögliche Antwort ist sicher das gewählte Titelbild der Einladung und des Kataloges dieser Ausstellung. Wenn man sich jedoch von naturkundigen Experten durch dieses, unser Land führen lässt, erkennt man bald: es ist mehr … viel mehr.
Als Beispiel seien die Moorgebiete und Auenlandschaften im Süden bis hin zum Steppensee mit den Salzlacken sowie den Trockenwiesen im Norden genannt. Letztere verfügen über eine einzigartige Vegetation, welche eine nachhaltige Pflege meist benötigen. Durch eine geeignete Beweidung wird dem wieder Rechnung getragen. Diese Art der Wiederbelebung alter Traditionen bewahrt die Reste an typischer Fauna und Flora für die nächsten „100 Jahre“. Zur besonderen Hervorhebung der Vegetation mit surreal anmutender Bildwirkung kam ein ab 670 nm infrarotsensibler Sensor mit anschließender spezieller digitaler Ausarbeitung zum Einsatz.

Haydn – Stojka

Im Bild zu sehen: Joseph Haydn neben Harri Stojka. Sind diese zwei grandiosen Musikschaffenden ihres Faches in einem Bild ein Gegensatz?
Beide spannen jenen weiten Bogen an musikalischen Stilrichtungen von Klassik bis Jazzrock, welche uns im Burgenland bei den unzähligen Events und Konzerten zum Hörgenuss geboten werden. Beide gehören zu den weltweit geschätzten Musikern und Komponisten unseres Landes.
Harri Stojka wurde für seine musikalischen Leistungen mit vielen internationalen Auszeichnungen geehrt. Er zählt zu den bekanntesten Vertretern der Volksgruppe der Roma in Österreich.

Bilder im Kopf….

…entstehen, wenn man der 100-jährigen Helene Schranz zuhört, wenn sie sich an ihre Kindheit in Pinkafeld erinnert.

Zum Beispiel, warum auf manchen Fotos von damals die alten Frauen weiße und auf anderen wiederum dunkelblaue oder schwarze Kopftücher trugen.
Die Weißen waren für die Feiertage, die Dunklen für den Alltag.
Wenn die Sonne schien, zogen die Frauen die Tücher ein wenig in die Stirn, um sich gegen die Blendung zu schützen. Eine Art Sonnenbrille sozusagen!

Sie erzählt von den Romafrauen, die Beeren verkauften, die sie gesammelt hatten oder Kienholz, d.s. Spandeln zum Feuermachen. Die Roma waren damals in diesem Raum sesshaft und bewohnten kleine Häuschen. Die damaligen Siedlungen sind leider alle vernichtet worden, nichts mehr erinnert an sie und die Menschen sind aus dem Ortsbild verschwunden.

Auch die Riedlingsdorfer Bäuerinnen gingen verkaufen. Auf ihren Köpfen balancierten sie auf großen Ringen aus umwickeltem Stoff ihre Ware, manchmal baumelten sogar lebendige Hühner mit zusammengebundenen Haxeln von ihren Köpfen herab. Sie pflegten drei bis vier lange Röcke übereinander zu tragen und wenn es regnete, zogen sie sich den äußersten von hinten nach vorne über den Kopf als Regenschutz!

An der Pinka, die damals noch nicht reguliert war und häufig Hochwasser führte, gab es reges Leben. Im Bachbett spielten die Kinder und täglich in der Früh wurden die Gänse zur Weide geführt. Die badeten und tummelten sich im Wasser und abends reagierten sie auf einen Ruf und wurden wieder nach Hause geleitet.
Manchmal, wenn sie herumflogen, gab es im Ort einen Kurzen, dann nämlich, wenn sie auf die neuen elektrischen Leitungen stießen – im Jahre 1919 war in Pinkafeld das erste Elektrizitätswerk errichtet worden.
An der Pinka trafen sich auch die Frauen zum Wäscheschwemmen. Sie knieten auf Stockerln im Wasser und im Winter hatten sie zum Händewärmen große blecherne Milchkannen mit heißem Wasser mit.
Natürlich gab es auch Mühlen entlang des Baches, wie zum Beispiel die alte Sagmeistermühle, die am Mühlbach lag, der inzwischen längst zugeschüttet wurde.

Die Straßen seien damals voll mit Wallfahrern gewesen, denn im nahen Pingau, das heute in der Steiermark liegt, gab es eine beliebte Wallfahrtskirche.
Pilger und Handwerker zogen singend ihres Weges. Da gab es die Schachtelpicker oder Kammmacher und später dann die Fabriksarbeiter von der Putsch-Fabrik, die aus den vielen Hauswebereien und Tuchmachern hervorgegangen war.
Leider gibt es kaum mehr Zeugen dieser großen und wichtigen Fabrik in diesem Raum, die so vielen Arbeit gegeben hat und somit das Überleben sicherte in einer schlechten Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Heute erinnert nur noch ein kleiner Mauerrest mit Bildern von damals an die Fabrik und im Museum im alten Rathaus kann man noch alte Webstühle und andere Gerätschaften von anno dazumal besichtigen.
Die Bevölkerung hat in den Jahren der Armut immer wieder billige Reste für Decken oder Kinderbetten bekommen.

Seit dem ersten Weltkrieg existierte auch die Kotzenfabrik der Familie Posch. Die erzeugte Pferdedecken und es gab die sogenannten Ram, das waren Gestelle aus Pfosten, an denen man alles zum Trocknen aufspannte.
Die kann man vereinzelt heute noch finden, wenn man um deren Bedeutung weiß.

Im 2.Weltkrieg hatten Lehrer häufig in ihren privaten Räumen Seidenraupen gezüchtet.
Die Raupen wurden mit den Blättern von eigens dafür an den Straßenrändern und Gärten angepflanzten Maulbeerbäumen gefüttert. Deshalb findet man auch heute noch oft an den alten Straßen Maulbeerbäume.
Die Kokons wurden en gros gesammelt und verschickt und für die Gewinnung von feiner Seide in der Fallschirmerzeugung verwendet.

Nach dem Krieg mussten viele Schulkinder bei der Ernte oder beim Bohnenheindeln mithelfen.

Das Gespräch mit Helene Schranz sollte uns auch noch in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts führen.
Leider scheiterte das an den rigorosen Bestimmungen im ersten Coronajahr und im November 2020 verstarb Helene Schranz mit 100,6 Jahren.

Maria Dixon

Maria Dixon 1921 – 2015
wurde bereits bei der Ausstellung des FKE zur 90 Jahre-Feier des Burgenlandes porträtiert.
Sie war eine lebenslustige und bis ins hohe Alter sehr aktive Person, die es genoss, anlässlich jener Ausstellung noch einmal im Rampenlicht zu stehen.
Maria Dixon war eine „typische Burgenländerin“. In Pinkafeld geboren, heiratete sie später in der Besatzungszeit einen amerikanischen Soldaten und lebte mit ihm bis zu seinem Tod in wohlhabenden Verhältnissen in den USA.
Sie besuchte mit ihrem Mann jedes Jahr ihre alte Heimat und kehrte 2006 nach dessen Tod nach Pinkafeld zurück. Maria Dixon ist 2015 im 94.Lebensjahr gestorben.

Burgenländische Emigration

Die Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg zwang viele Österreicher ihre Heimat zu verlassen, bevorzugtes Ziel waren die Vereinigten Staaten von Amerika. Besonders viele Emigranten, und zwar fast ein Viertel von insgesamt ca. 11.000, waren Burgenländer.
Die Vorstellungen der Auswanderer – fast ausschließlich junge Männer – von der Neuen Welt waren durchaus unterschiedlicher Natur: Die einen hatten vor für immer dort zu bleiben und ihr Glück zu finden, manche hatten im Burgenland schon Familie, die sie später nachholen wollten, die anderen hatten sich zum Ziel gesetzt, nur ein paar Jahre zu arbeiten und sich mit dem Ersparten in der alten Heimat etwas aufzubauen.
Als die USA die Einreisebestimmungen verschärften, mussten die Auswanderungswilligen nach anderen Zielländer Ausschau halten. Viele Burgenländer versuchten ihr Glück in Brasilien, Argentinien oder Kanada.
Alles in allem dürften laut Schätzungen um die 160.000 Burgenländer bzw. deren Nachfahren in der Neuen Welt leben, die meisten davon in den USA. Dort haben die Migranten ein äußerst gutes Netzwerk aufgebaut, es gibt zahlreiche Gesangs- und Sportvereine und der größte Verein, die Burgenländische Gemeinschaft (BG), fördert mit zahlreichen Aktivitäten die Heimatverbundenheit seiner Mitglieder. (Quelle: Dorfchronik „800 Jahre Marz“, Seite …)

Einer dieser Auswanderer war der Großvater Veronika Pinters, die hier die von ihrer Mutter Hilda Millisits erzählten Erinnerungen wiedergibt:

Mein 1900 geborener Großvater Mathias Redl wuchs vaterlos in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach absolvierter Spenglerlehre und der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg beschloss er, in der Ferne sein Glück zu suchen. Die wirtschaftliche Situation im Burgenland war prekär und es war nicht einfach das Geld für die Überfahrt nach Brasilien zusammen zu bekommen. Er nahm jede erdenkliche Arbeit an und nachdem er einen Wald von ca. einem Hektar geschlägert hatte, konnte er die Fahrkarte bezahlen. Seine Verlobte musste er zurücklassen, was deren Vater gar nicht so unrecht war, denn dieser hätte gerne einen reichen Schwiegersohn gehabt.

Mehr als die Adresse eines vor Jahren schon nach Rio de Janeiro ausgewanderten Wieseners hatte mein Großvater zwar nicht, aber der Abenteuerwille einerseits und die Not andererseits siegten. Gemeinsam mit einigen anderen Emigranten fuhr er mit nicht viel mehr als einer Holztruhe Platz fand, mit dem Zug nach Bremen. Nach sechs Wochen Schiffsreise kam er in Brasilien an und traf dort auch bald den Landsmann aus Wiesen. Der hatte zwar keine Arbeit für ihn parat, riet ihm jedoch, am Hafen Arbeit zu suchen. Dort fand er auch gemeinsam mit anderen Einwanderern einen Arbeitgeber, und zwar einen Ingenieur, der auf Brückenbau in der Wildnis spezialisiert war.

Die Brücken, an deren Aufbau mein Großvater mitarbeitete, stehen noch immer und sind Zeugnis des ungeheuren Fleißes und Anpassungsfähigkeit der Auswanderer. Diese hatten es in der Fremde wahrlich nicht leicht, die Hitze – mehr als 40 Grad bei schwerer körperlicher Arbeit – machte ihnen zu schaffen. In guter Erinnerung hatte mein Großvater das Essen in Brasilien, es gab Fleisch und Gemüse in Hülle und Fülle und obwohl er schon 25 Jahre alt war, wuchs mein Großvater in dieser Zeit noch einige Zentimeter! Das Leben in der Wildnis war jedoch äußerst gewöhnungsbedürftig, die Männer mussten wilde Pferde einfangen und zureiten, um irgendeine Möglichkeit zu haben, die nächstgelegenen Dörfer zu erreichen. Die ausgewanderten Arbeiter wurden von den Einheimischen – wie es leider meistens vorkommt – anfangs nicht mit offenen Armen, sondern mit Misstrauen empfangen. Erst nach einiger Zeit gelang es ihnen, Kontakte zu knüpfen und Beziehungen aufzubauen.

Nach vier Jahren erst kam mein Großvater wieder zurück und konnte endlich meine Großmutter heiraten. Da die wirtschaftliche Lage im Burgenland noch immer nicht besser war, beschloss das junge Paar gemeinsam auszuwandern, dieses Mal nach Argentinien. Mein Großvater wollte nicht wieder nach Brasilien zurück, da er seiner jungen Frau das Leben im Regenwald nicht zumuten wollte.
Deshalb wählten die beiden Argentinien, wo sie auch fünf Jahre blieben und drei Kinder, von denen leider das erste verstarb, bekamen. Eigentlich hatten sie nicht vor zurückzukehren, da sie mit dem Leben in Buenos Aires zufrieden waren, Freundschaften schlossen und auch ein Haus bauten. Da jedoch der Schwiegervater mit einer beträchtlichen Mitgift lockte, verließen sie Argentinien wieder und kamen nach Marz zurück, wo sie bis zu ihrem Tod lebten.

Die Abenteuerlust meines Großvaters übertrug er auf seinen Sohn, der 1953 nach Neuseeland auswanderte. Meine Großeltern erzählten uns Enkelkindern häufig von Südamerika und weckten auch in uns die Lust und Neugier für fremde Länder, die wir allerdings „nur“ in Form von Reisen entdeckten.